Ein Jahr auf der Wiese – Kinder tauchen ein in den Lebensraum Streuobstwiese

Apfelsaft kommt aus der Flasche. Die Milch aus dem Kühlregal und Kühe sind lila. Kinder, die den Kontakt mit Pflanzen, Tieren und unserer Natur nicht erleben, könnten so denken. Nicht so die Schülerinnen und Schüler der Waldorfschule Silberwald. Hier steht der unmittelbare Kontakt mit der Natur, ursprünglichen Berufen und das selbst „er-leben“ und „be-greifen“ ganz selbstverständlich auf dem Lehrplan. Mit dem Einbringen der Apfel- und Birnenernte und dem Saftpressen endete für die Klasse von Helena Trambale das Projekt „Streuobstwiese“. Gemeinsam mit Andreas Seeger pressten 30 begeisterte Kinder den Saft aus „ihren“ fünf Säcken Obst.

 

Vor einem Jahr machte sich die damals zweite Klasse auf, gemeinsam mit Streuobstwiesen-Pädagogin Renate Neuburger, ein ganzes Jahr lang eine örtliche Streuobstwiese, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Christoph Heil, zu entdecken und kennenzulernen. Welche Pflanzen wachsen hier? Welche Tierspuren können wir entdecken? Hat an diesem Apfel eine Maus geknabbert? Und wo verstecken sich all die Tiere auf dieser Wiese?

 

Im Herbst ging es zunächst um das Kennenlernen der Wiese, ihrer Pflanzen und tierischen Bewohner. Im Winter wurden Tierspuren im Schnee gesucht, Bäume beschnitten und fleißig Reisig gesammelt und gebündelt. Gemeinsam mit Renate Neuburger pflanzten die Schülerinnen und Schüler einen Baum, sammelten Kräuter und machten im Sommer sogar ihr eigenes Heu. Das alles malten und beschrieben die Kinder in ihrem ganz persönlichen „Streuobstwiesen-Paradies-Heft“.

 

Jetzt, zu Beginn des dritten Schuljahres stand das Ernten der Früchte auf dem Lehrplan. Einen ganzen Vormittag lang sammelten die Kinder Äpfel und Birnen auf, sortierten die fauligen Früchte aus und kamen auf stolze fünf Säcke, also rund 250 Kilogramm Obst. Diese wurden mit Hilfe von Andreas Seeger, Inhaber einer Gär- und Süßmosterei und eines Getränkehandels, fachmännisch und mit großer Begeisterung zu Saft verarbeitet. „Wir müssten etwa 150 Liter heraus bekommen,“ so der Fachmann. Zum Einsatz kamen zwei Handpressen und zwei Obst-Häcksler und die Kinder wuschen und schnitten das Obst und durften selbstverständlich alles selbst „be-greifen“. Und am Ende natürlich auch schmecken und trinken!

 

„Ich finde es toll, dass ich den Kindern hier zeigen kann, wie das funktioniert“, freut sich Andreas Seeger, „ich finde es gut, dass die Kinder das hier praktisch umsetzen können und nicht nur aus Büchern oder Filmen etwas lernen. So nah und natürlich wie möglich die ganzen Zusammenhänge zu erlernen und zu sehen, das finde ich wirklich toll!“

 

Und wenn unten an der Presse der Saft heraus fließt, freuen sich nicht nur die Kinder. Und Seeger ergänzt: „Es ist vorbildlich, dass die Kinder hier erleben, wieviel Arbeit in einem Produkt wie Apfelsaft steckt.“ Und auch Renate Neuburger ist begeistert: „Ich bin total glücklich, wie die Kinder eingestiegen sind und sich „ihre“ Wiese zu Eigen gemacht haben. Obwohl es viel fauliges Obst gab, hat kein einziges Kind gesagt: „Igitt, das ist eklig.“ Im Gegenteil: Jetzt sind sie auf der Wiese „angekommen“, jetzt ist es ihr Obst, ihre Wiese. „So sieht es hier aus und wir holen die guten Äpfel.“ Und auch der Eifer der Kinder hat die Pädagogin überrascht: „Sie sind so schaffig. Die haben gestern aufgelesen, ich war ganz erstaunt.“

 

Und so kann sich das Ergebnis des Saftpressens sehen lassen: 40 Flaschen leckeren Apfelsaft haben die Kinder für sich selbst gepresst und den Rest großzügig und voller Solz der Gemeinschaft ausgeschenkt. Sie bringen den übrig gebliebenen Trester zu den Kühen von demeter-Bauer Klaus Wais und stellen fest: „Es bleibt nichts übrig, denn alles wurde verwertet.“ Und auch Klassenlehrerin Helena Trambale freut sich: „Für alle Beteiligten war das Jahresprojekt Streuobstwiese ein tolles Erlebnis. Die Kinder haben den ganzen Jahreslauf erlebt, wissen nun wie lange es braucht bis ein Apfel vom Baum fällt und sind jetzt stolz auf ihre Ernte und den leckeren Saft. Hoffentlich finden wir auch für die nächste Klasse so tolle Unterstützer wie Andreas Seeger, dem Obst- und Gartenbau-Verein, Christoph Heil und die Stiftung Natur und Umwelt der LBBW.“

 

 

Alexander Seeger nimmt den ganzen Oktober über noch Obst an und presst daraus Sillenbucher Apfelsaft. Er freut sich über jeden Gartenbesitzer, der sein Obst aufsammelt und diese wertvolle Ernte nicht einfach auf dem Boden vergammeln lässt.